Eine heitere Adventsgeschichte
Im Sommer 1960 konnten wir in unserem kleinen Bauerndorf am Südhang des Bachtels ein neues Schulhaus einweihen. Endlich hatten wir mehr Platz und vor allem einen Werkraum. Unser Lehrer bot uns nach den Herbstferien zwei freiwillige Stunden „Kartonnage“ an, das hiess Arbeiten mit Papier und Karton. Ich genoss diese Stunden sehr. Genaues, sorgfältiges Arbeiten war gefordert, aber auch Kreativität und Sinn für Farben und Formen.
Jedes Jahr bastelten wir in der Kartonage etwas Kleines für jede Familie im Dorf. In der sechsten Klasse wagten wir uns an ein aufwendiges Projekt. 80 kleine, kunstvolle Weihnachtslaternen wollten wir anfertigen, eine für jeden Haushalt. Wir merkten schnell, dass ein Sondereinsatz notwendig war, das zu schaffen. Einerseits waren wir an den freien Nachmittagen und sogar in den Pausen am Werken, anderseits wurden wir ein Team. Jeder tat das, was er am besten konnte. Die einen zeichneten die Motive mit einem weissen Farbstift auf den schwarzen Karton, die anderen waren am Ausschneiden und die dritten hinterlegten die Bilder mit farbigem Krepppapier. Gemeinsam falteten wir am Schluss die Laternen und setzten die Kerzen ein. Die Stunden, in denen wir gemeinsam so intensiv arbeiteten, zählen zu den schönsten in der Schulzeit.
Endlich war es soweit. Am Vorabend und Morgen des letzten Schultages zogen wir durchs Dorf und hinaus in alle Wachten, sangen vor den Häusern Weihnachtslieder und stellten die leuchtenden Laternen auf die Haustürschwellen. Es war eine zauberhafte Nacht, kalter, knirschender Schnee, ein riesiger, sternenbehangener Himmel und ein Nebelmeer, das knapp bis unterhalb des Dorfes reichte. Wir waren alle wie verzaubert. In meiner Erinnerung hatten wir die Weihnachtslieder noch nie so rein und schön gesungen.
Auf den längeren Märschen hinaus zu den Weilern hatten wir Kinder Zeit zum Plaudern. Ich weiss noch, dass wir uns vom Essen am Heiligen Abend erzählten. Ich muss anmerken, dass die meisten Bauernkinder waren und ich ein Arbeiterbub. Bei den Bauern gab es Schinkli, Schüfeli oder Braten mit Kartoffelstock und Dörrbohnen. Bei uns kochte Mutter immer Pastetli mit Brätchügeli. Meine Schulkameraden waren ganz neidisch, das hatten sie noch nie gegessen. Als ich ihnen erzählte, wie knusperig die Pastetli wären und wie fein und zart die Sauce mit den Brätchügeli schmeckte die meine Mutter kochte, lief ihnen das Wasser im Mund zusammen, dass sie kaum mehr sprechen konnten. Um ehrlich zu sein, ich wünschte mir natürlich nichts sehnlicher als ein Schinkli oder ein Schüfeli am Heiligen Abend, aber das verschwieg ich, weil mir der Gedanke daran auch das Wasser im Mund zusammen laufen liess.
Ich wünsche Ihnen genussvolle und besinnliche Weihnachten.
Peter Zollinger
Eine ganz wunderbare Weihnachtsgeschichte. Vielen Dank.
Uebrigens bei uns gab es immer Wienerli und Schlumbi, eine Art Semmeli, am Heiligabend.